Website-Icon FREIHAFEN

Still In Search

Foto: David Reineke

Ich befinde mich in Harburg. Seit fünf Minuten riecht es penetrant nach industriellem Tierfutter. Als ich in die Straße zum Proberaum einbiege, merke ich wieso: eine riesige Krafttierfutter-Fabrik. Dahinter befindet sich endlich das Gelände, auf dem ein kleines Haus steht. Im unterem Stockwerk probt die Band Still In Search. Ich klopfe an die Scheibe, da sie mich sonst nicht hören.

Ich gehe wieder um das Haus und als die Tür aufgeht, strömt mir ein Schwall warmer Luft entgegen. Clara’s Mutter steht auf der Schwelle, lächelt und bittet mich herein. In dem Moment frage ich mich gar nicht, weshalb sich die Eltern von Clara ebenfalls im Proberaum befinden – die zwei sind so locker, dass es mir völlig normal vorkommt. Nachdem ich den kurzen Flur durchlaufen habe und den großen, in zwei Hälften unterteilten Raum betrete, sehe ich Clara auf dem Boden vor ihrem Pedalboard hocken, ihre Telecaster auf dem Schoß und eine Hand am Delay-Pedal. Sie schaut auf, strahlt und sagt: „Das Effektgerät hab’ ich neu!“.

Adam, Tim und Clara’s Vater, die bisher in ein Gespräch vertieft waren, begrüßen mich nun herzlich. Die Tatsache, dass Clara, Adam und Tim morgen im Molotow spielen werden, scheint durch ihre professionelle und dabei aber so bodenständige Art, völlig unterzugehen. Jeder Hamburger weiß, dass es sich beim Molotow nicht nur um irgendeine Location handelt. Dort haben schon Größen wie The White Stripes, Billy Talent, Biffy Clyro und The Black Keys – um nur ein paar zu nennen – gespielt.

Lange Bandgeschichte

Wenn man sich jedoch die Geschichte des Hamburger Trios anguckt, so stellt man fest, dass es durchaus verständlich ist, weshalb die drei selbst beim Molotow kein Lampenfieber mehr haben.

Still In Search gründeten sich im Jahr 2008, seitdem haben sie schon etliche Gigs gespielt. Auf ihrer Homepage sind 158 Auftritte seit 2011 aufgelistet. Selbst in Italien haben sie schon getourt.

Ich fange also an die drei auszuquetschen, nachdem Claras Eltern gefahren sind.
Clara bleibt weiterhin mit ihrem Pedalboard beschäftigt, währen sich Tim und Adam meinen Fragen stellen. Im Grund habe ich zu den dreien ein sehr freundschaftliches Verhältnis, was das Interview entspannter macht, aber eben auch ein wenig belustigend.

Zuerst einmal möchte ich von ihnen wissen, wie sie es überhaupt geschafft haben, seit 2008 zusammen zu bleiben.

Adam erklärt mir, dass sich die Band aus einer Anzeige geformt hat, die Clara damals ins Internet stellte. Alle drei gingen mit derselben Einstellung und Ambition an die Sache heran. Damals waren sie zwar noch 15, 16 und 17 Jahre alt, aber fest stand, dass alle Mitglieder die Band ernst nehmen – was bis heute der Fall ist.

Ich hake aber weiter nach und frage, wie sie Krisen überwunden haben, denn aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es sich mit einer Band wie mit einer Beziehung verhält – es muss zwangsläufig auch Krisen geben.
Bei Still In Search gab es aber so gut wie keine Krisen, wird mir erklärt. Einen großen Anteil hat daran auch durch die genannte Einstellung. Wichtig ist aber auch die vollkommene Offenheit, welche die Bandmitglieder untereinander praktizieren. Sie lassen es nicht dazu kommen, dass etwas im Raum steht, sondern sprechen alles direkt an, und klären es gemeinsam.

Klare Rollenverteilung innerhalb der Band

In vielen Beziehungen und Bands entwickeln die Mitglieder bestimmte Rollen und formen dadurch das Kollektiv. Wie sind diese Rollen bei Still In Search verteilt?

Da Clara, die Sängerin, Gitarristin und Synthesizer-Pianistin, durch ihre Anzeige den ersten Impuls gab, ist sie nun auch sozusagen „die Chefin“ oder eben „die Mama“ der Band, wie mir Tim und Adam erklären.

„Clara ist sehr ambitioniert. Wenn etwas lahmt, ist sie diejenige, die Biss zeigt!“

Clara ist außerdem für die Atmosphäre zuständig. Das heißt, wenn Tim und Adam schon daran denken, die Instrumente in die Hand zu nehmen und einfach drauf los zu spielen, kümmert sich Clara darum, dass drumherum auch die richtige Stimmung herrscht. Wer schon mal auf einem Konzert von Still In Search war, weiß genau, wovon ich spreche.

„Adam ist der technische Leiter. Und fällt rational Entscheidungen.“

Der Bassist des Trios ist Adam. Wenn er nicht bei den „SiStas“, wie sie sich selbst gerne nennen, den Bass spielt oder sich um die Technik kümmert, dann tourt er mit Tonbandgerät oder Scooter um die Welt und ist für deren Sound zuständig. Das kommt daher, dass er eigentlich gelernter Sound-Engineer ist. In der Band übernimmt Adam außerdem noch den Part des „Marketing-Chefs“. Auf die Frage hin, wie Tim Adam beschreiben würde, antwortet dieser mit: „Adam ist der Nerd!“.

„Tim ist die Spaßkanone“

Tim ist derjenige, den Still In Search als „Omas Liebling“ bezeichnen. Er hält die Band zusammen, indem er das Gleichgewicht zwischen den beiden Extremen, Clara und Adam, bildet. Er ist sehr empathisch und hat immer zur richtigen Zeit den richtigen Spruch parat. Seine Bandkollegen beschreiben ihn als ruhige Basis – was die Musik angeht, gibt er als Drummer mit dem lautesten Instrument den Takt an.

Refugees Welcome

Auch wenn die drei darauf hin arbeiten, ihren Lebensunterhalt durch ihre Musik finanzieren zu können, so stehen ihre Fans doch stets an erster Stelle. Das beweisen sie unter anderem durch ihre Straßenshows. Dabei quetschen sie sich in einen kleinen Van, samt ihrem Equipment und einem Generator, um damit (z.B. beim Deichbrand Festival) ein nicht ganz legales Straßenkonzert zu geben.
Dazu erzählen sie mir eine Anekdote, wie sie einen Auftritt in einer italienischen Bar hatten. Kurzerhand beschlossen sie, dort ebenfalls mit dem Van hinzufahren und zwischen durch nochmal hier und da halt zu machen, um nicht nur die italienischen Fans, sondern auch andere Menschen unterwegs zu erreichen.

Des weiteren setzen sie sich auch bei ihren legalen, kostenpflichtigen Konzerten dafür ein, dass auch die, die über geringere finanzielle , sich ihre Shows angucken können. In diesem Fall hat die Band eine Ticketpatenschaft für Geflüchtete für ihren Auftritt im Molotow organisiert. Etwa 15 Geflüchtete sowie 5 Ehrenamtliche durften dank ihrer Ticketpaten im Molotow dabei sein!

Bewährtes Erfolgsrezept

Was den Erfolg der Band angeht, haben Still In Search ein klares Konzept:

1. Spielen, spielen, spielen – es geht nichts über eine astreine Bühnenperformance!
2. Ehrlichkeit währt am längsten – die drei sprechen über alles, was sie beschäftigt. Nur so konnten sie es schaffen, in acht Jahren keine ernsthaften Krisen durchleben zu müssen.
3. Vitamin B – immer und überall Kontakte knüpfen!

 

Die mobile Version verlassen