Der 3. Oktober – Tag der deutschen Einheit. Doch seit 1997 steht dieses Datum nicht nur die Verständigung zwischen Ost- und Westdeutschland, sondern soll ein Tag sein, der verschiedene Religionen und Kulturen, ja, verschiedene Menschen zusammenbringt. Zu diesem Zwecke öffnen nun seit neun Jahren die Moscheen an diesem Tag in ganz Deutschland ihre Türen und interessierte Besucher können sich einen Eindruck von Räumen und einer Religion verschaffen, die vielen sonst das Jahr über verschlossen erscheinen. Hier ein Ausschnitt, wie dieser Tag in diesem Jahr in Hamburg begangen wurde.
Aus Kirche wird Moschee
Der Tag beginnt grau und kühl, doch glücklicherweise muss man nicht lange suchen, bis man den Turm der ehemaligen Kapernaumkirche in Hamburg-Horn sieht, in der die Al-Nour-Moscheegemeinde eine neue Bleibe finden wird. Kaum hat man die U-Bahn-Haltestelle Horner Rennbahn verlassen, kann man schon den Schriftzug sehen, der auf der Spitze des Gebäues glänzt. Später in seiner Ansprache wird Daniel Abdin, der Vorsitzende des Islamischen Zentrums Al-Nour erklären, dass diese Verzierung ganz bewusst gewählt wurde: Davidstern, Kreuz und Halbmond sind für ihn Differenzierungsmerkmale, doch es sollte nicht die Differenz, sondern die Einheit betont werden. Und so hat sich die Gemeinde entschieden, den Namen Gottes, Allah, in arabischer Sprache am Kirchturm anzubringen.
Am Eingang der Moschee, die im Moment von außen doch noch sehr einer Baustelle gleicht, führt ein roter Teppich ins Innere des Gotteshauses. Der Imam der Moschee, Samir El-Rajab, begrüßt hier jeden Gast mit Handschlag. Sobald man den Gebetsraum betritt, weiß man sofort, warum Daniel Abdin in seiner Ansprache später sagen wird, dass Al-Nour seinem Namen, der im Deutschen “Licht” bedeutet, jetzt endlich wieder gerecht wird: Die bunten Bleiglasfenster, die noch Teil des alten Kirchengebäudes sind und auf jeden Fall erhalten bleiben sollen, tauchen den Raum in ganz besonderes Licht.
Wie Dialog gelingen kann
Gekommen sind viele Nachbarn der neugebauten Moschee, die der Imam und Herr Abdin jeweils auch direkt ansprechen, denn wie Samir El-Rajab in seinem Grußwort sagt: „Der nahe Nachbar ist besser als der ferne Bruder.“ Beide Redner betonen auch die Nähe zu den anderen Schriftreligionen und so ist es fast schon selbstverständlich, dass auch Vertreter der Caritas und der Beauftragte für den christlich-islamischen Dialog in der Nordkirche, Axel Matyba, mit kurzen Reden die Gäste begrüßen. Der Wunsch nach Austausch war auch der vornehmliche Grund, warum das Islamische Zentrum das entweihte Kirchengebäude im Osten Hamburgs kaufte. Bereits in der bestehenden Moschee in St. Georg, die in einer Tiefgarage liegt, richtet der Verein Aktivitäten, viele davon auch zum interreligiösen Dialog, aus. Bald wollten die Mitglieder aber hinaus aus diesem Schatten- und Hinterhofdasein, aus dieser aufgezwungenen Parallelgesellschaft. Das Credo von Abdin ist hier, dass ein Miteinander- statt Übereinander-Reden nur gelingen kann, wenn die Moschee sichtbar und transparent ist.
Ein weiterer Grund ist aber auch die steigende Zahl der Gläubigen, die die bestehende Al-Nour-Moschee im Pulverteich zum Freitagsgebet aufsuchen: in letzter Zeit sind es oft bis zu 2500 Gläubige, die dort ihr Gebet verrichten. So wird fast ein dritter Gebetsraum für die Gemeinde nötig. Doch Abdin betont hier, dass es eine Ausnahme war, eine Kirche zu kaufen und den Kirchenraum in eine Moschee umzuwandeln – dies wird eine Ausnahme bleiben.
Gleichzeitig sind die Umbauarbeiten hier in Horn aber noch nicht vollständig abgeschlossen. Da die Gemeinde die Bauarbeiten ausschließlich mit Spenden finanziert, wird das Eröffnungsdatum aufgrund steigender Kosten immer wieder verschoben. Abdin merkt dazu nur lapidar an: „Das ist der Beweis, dass wir uns in Hamburg hundertprozentig integriert haben.“
Aufwendig sind die Umbauten auch deshalb, weil das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes als Kirche so weit wie möglich gewahrt werden soll und so die Verbindung zur christlichen Kirche bestehen bleiben soll. Und so macht Abdin den Nachbarn der neuen Moschee und allen Hamburgern noch eine Versprechung: „Ab heute, wenn es fertig gestellt ist, wird es hier jeden Tag den Tag der offenen Moschee geben.“
Auch Hamburg hat eine Blaue Moschee
Mittlerweile scheint die Sonne und vergoldet den Weg durch das von Villen geprägte Viertel nahe der Außenalster zur Imam-Ali-Moschee, wegen ihrer unverkennbaren Farbe auch blaue Moschee genannt. Kaum biegt man um die Kurve und geht auf die Moschee zu, empfängt einen an diesem Tag eine Atmosphäre, die an ein Volksfest erinnert: es gibt Zuckerwatte, ein Glücksrad, ein Hijab-Tutorial und Stände, die verschiedenste Speisen anbieten.
Kurz nach dem gemeinsamen Gebet um 14 Uhr kann man die Moschee wieder zu einer der alle 45 Minuten stattfindenden Führungen betreten. Der junge Mann, der zu diesem Zeitpunkt vorne steht, bringt den Zuschauern, die sich in die Moschee drängen, die Architektur und Ausstattung des Gebetsraumes näher. Besonderes Augenmerk legt er hierbei unteranderem auf den Gebetsteppich, der mit einer Gesamtgröße von 220m2 einer der größten handgeknüpften Teppiche der Welt ist. Hierbei erklärt der junge Mann, dass die Mitte des Teppichs die Schöpfung symbolisiert, während die am Rand angeordneten, jeweils unterschiedlich gestalteten Pforten, die den für jeden Menschen unterschiedlichen Zugang zum Paradies darstellen. Die weißen Linien in der Kuppel, die von unterschiedlichen Punkten der Ränder bis zum Mittelpunkt dieser verlaufen, haben ebenfalls eine symbolische Bedeutung. Sie stehen für die unterschiedlichen Möglichkeiten zu Allah zu finden – unabhängig von Nationalität, Haltung oder anderen Ausgangpunkten. Allerdings gibt es auch hier eine Einschränkung, die gewissermaßen wie die Begrenzung einer Straße wirkt. Und das, erklärt der Führer den Zuschauern, bedeutet nichts anderes als die Scharia, nämlich Straße oder Hauptstraße.
Aber nicht nur die Architektur ist Teil der kleinen Führung. Zusätzlich wird auch über allgemeine Themen gesprochen, die den Islam betreffen. Auch hier lautet das Credo, dass der Islam niemanden zu etwas zwingen will („Kein Zwang in Sachen des Glaubens.“) und so auch die Todesstrafe im Fall von einer Abwendung vom Islam nicht im Sinne dieser Religion ist. Ebenso wird auch hier immer wieder betont, dass alle Schriftreligionen den gleichen Ursprung haben. Der Islam erkenne auch alle vorherigen Propheten des Judentums an und betrachte auch Jesus als solchen. Die Offenbarungen, die der Prophet Mohammed vom Erzengel Gabriel empfing, hätten die vorher bestehenden Botschaften verfeinert, stellten sie aber zu großen Teilen nicht infrage.
Und auch Fragen aus dem Publikum, auch jene kritischer Natur, bringen den jungen Mann nicht aus der Ruhe und er antwortet gelassen und diplomatisch.
Ruhe genießen bei der Ahmadiyya-Gemeinde
Bei der nächsten Moschee ist die Atmosphäre eine völlig andere. Die Moschee der Ahamdiyya Muslim Jamaat liegt in Stellingen mitten in einem ruhigen Wohngebiet. Die Ahmadiyya sind eine vergleichsweise kleine islamische Religionsgemeinschaft mit weltweit etwa zehn Millionen Anhängern. Im Gegensatz zu anderen muslimischen Gruppen haben sie einen geistigen Führer, gegenwärtig Hadhrat Mirza Masroor Ahmad, und glauben, dass der Mahdi in Gestalt von Mirza Ghulam Ahmad im 19. Jahrhundert auf die Erde gekommen ist.
Selbst wenn auch hier einige Zelte wie bei einem Gartenfest vor der Moschee aufgebaut sind, haben sich zu dieser Stunde nur wenige Menschen an diesen Ort verirrt. Um vier Uhr nachmittags beenden gerade die Männer ihr Gebet in dem kleinen Gebetsraum des Gotteshauses. Danach bieten einige junge Männer an, Besucher herumzuführen und Fragen zum Islam und der Ahmadiyya Muslim Jamaat zu beantworten. Auf einem Tisch im Gebetsraum liegen außerdem noch einige Broschüren und Buchexemplare aus, mit denen man sich weiterführend zu Themen wie „Was ist Ahmadiyyat?“ und „Gesellschaftliche Bedeutung der Scharia“ informieren kann. Während der Führungen wird immer wieder die Friedfertigkeit des Islams betont und die Gläubigen distanzieren sich von Terror und Gewalt.
Zum Abschluss werden noch Tee, Kaffee, herzhafte Gerichte und Kuchen angeboten und man kann sich noch weiter mit den anwesenden Mitgliedern der Gemeinde austauchen oder die Eindrücke mit Blick auf die erste nach dem 2. Weltkrieg errichtete Moschee Hamburgs nachwirken lassen.