Du wanderst ja so gern auf dem Rennsteig durch das Land, kannst die Klassiker unserer Volksdichter auswendig, murmelst auch heimlich die erste Strophe des Deutschlandlieds in deinen Bart, wenn irgendwo die Nationalhymne spielt und bist am Spanferkelgrill jedes Mittelaltermarkts anzutreffen. Aber wenn du dich abends in deine kornblumenblaue Biberbettwäsche kuschelst, fragst du dich nicht auch, ob da nicht noch mehr ist?
Warum ist in unserem Land nichts mehr so wie früher? Warum wurde die Tasköprüstraße so benannt und heißt jetzt nicht etwa Otto-von-Bismarck-Twiete oder Odoakersteig? Wann wird “Deutschlandzerstörerin” Merkel endlich von einem AfD-Truck überrollt und warum fühlst du dich von den ganzen Kopftüchern dazu aufgefordert, auf einmal auch eins zu tragen? Und was kannst du, als guter Deutscher, tun, damit dein Deutschland bald wieder im Glanze seines Glückes blüht? Der einzig wahre Guide sagt’s dir: in der urdeutschen German Edition.
Und noch ein wichtiger Advice: Teile dieses Guides könnten Sie verunsichern. Das liegt vor allem daran, dass Spuren von Milch, Nüssen, Gluten und Ironie enthalten sind.
1. Tapferkeit
Patriot ist nicht gleich Nazi! Das kann gar nicht oft genug betont werden – und ganz ehrlich, nur weil du denkst, dass Deutschland über allem anderen steht, solltest du dich von diesen ganzen Linksextremisten nicht dissen lassen. Auch wenn immer weniger Leute zum friedlichen Spaziergang der “pesorgten Pürger Europas” kommen, bleibst du standhaft. Profi-Tipp: weite deine Spaziergangsroute doch mal ein bisschen aus. Wenn es deine direkten Vorfahren, die Teutonen, ohne Spezial-Schuhsohlen von Dänemark bis Italien geschafft haben, dann kannst du auch bis nach Berlin vor den Bundestag laufen.
Dort zu demonstrieren ist ohnehin nie verkehrt, die Pfeifen können ja nie was in die Hand nehmen, ohne es sich mit der halben Bevölkerung zu verscherzen. Um richtig viel zu erreichen, solltest du das gesamte System untergraben: durch Klingelstreiche, fingierte Pizzabestellungen, Scherzanrufe, Hass-Mails und Hundekacke im Briefkasten zermürbst du deinen Gegner langsam aber sicher. Tapferkeit heißt auch manchmal, einen Tag lang wacker die Focus-Online-Kommentare aufzumischen.
2. Stolz
Wenn wir auch nichts mehr haben, dann haben wir doch unseren Stolz. Dieser Satz klingt natürlich besser, wenn du in einem umkämpften Schützengraben liegst, als wenn über dem dritten Bier das schwarz-rot-goldene Herz zu bluten beginnt. Aber man kann nicht alles haben. Und abgesehen davon, auf die Taten unserer Vorväter kann man ruhig mal stolz sein: fließt doch das gleiche Blut in unseren Adern – naja, zumindest ähnliches. Es ist auch … rot.
Der einzig wahre Guide sagt: warum sich auf die nähere Vergangenheit beschränken? Warum nicht mal stolz auf Adovacrius sein, der im 5. Jahrhundert eine Gruppe Plünderer befehligte? Warum kein Poster der Weichsel-Würm-Zeit über’m Bett hängen haben, die unsere wunderschöne deutsche Landschaft geformt hat? Ach, was red ich, ich als aufrechter Deutscher bin ich auch stolz auf das Wimperntierchen, das unser Leben erst ermöglicht hat!
3. Heimatliebe
An unserem lustigen Landsmann Lutz kann man sich gern mal ein Beispiel nehmen: ein türkischer Freund, und dein Slot für ausländische Bekannte ist belegt. Wer nicht die Attribute blond, blauäugig, sportlich, germanisch mit reindeutschem Stammbaum bis ins 4. Jahrhundert v. Chr. und “Weltmeister im Sauerkrautessen” besitzt, der hat in deinem Umfeld nichts zu suchen. Was genau das Aussehen mit der Nationalität zu tun hat, kannst du auch nicht richtig erklären, aber ist halt einfach so.
Aber du kannst noch mehr tun! Hängt in jeder Grundschule deiner Stadt schon ein Kreuz? (Bei der Gelegenheit, wann warst du das letzte Mal in der Kirche? Hm .. Weihnachten bestimmt.) Und welcher Ausländer hat dir deinen Job im “King Kebab”-Store weggenommen? Du solltest auf jeden Fall einen Falafel-Imbiss oder ein mongolisches Büffet eröffnen, um ein Zeichen zu setzen. Wir Deutsche lassen uns nicht aus den Dönerläden, Shisha-Bars und Kumpir-Bistros vertreiben! Und warum tätowierst du dir nicht “deutsch und stolz” auf die Stirn? So kann dich jeder schon von weitem erkennen, und die Flucht .. ähh, die Chance ergreifen, ein aufschlussreiches Gespräch mit dir zu führen.
4. Wurst
Kommen wir zu unserem Wappentier. Nein, ich meine nicht den Pleitegeier, der von Jahr zu Jahr fetter wird, sondern das Schwein. Man möchte meinen, alles wird aus Hack gemacht – ist wahrscheinlich auch so. Das Schwein ist Teil unserer Kultur, so wie Mon Cheri, Malle und Sandalen mit Socken. Wir haben es im Mittelalter in Hexenprozessen hingerichtet, jagen es durchs Dorf, haben es gehabt und glauben, es pfeift.
Und wir verarbeiten es zur größten Errungenschaft, die unsere Nation je hervorgebracht hat: Wurst. Bratwurst, Bockwurst, Schinkenwurst, Leberwurst, Blutwurst, Sülzwurst – wenn du ein guter Deutscher sein willst, solltest du sie alle haben. Eine Umstellung auf eine reine Wurst-Diät wird als Mann deinen germanischen Körper stählen und als Frau wirst du dadurch fruchtbarer, um Deutschland eine große Kinderschar zu bescheren. In Wurst sind Vitamine drin, genauso wie in Erdbeerkäse.
(5. Toleranz)
So: Ironie und Sarkasmus off. Wie wirst du ein guter Deutscher? Erstmal solltest du dich vielleicht fragen, was macht mich denn zum Deutschen? Mein völlig willkürlicher Geburtsort, für dessen historische Entwicklung ich absolut nichts kann? Oder meine Verbundenheit zu dem kulturellen Erbe der Region – wenn meine Kenntnis davon über zwei Goethe- und ein Schillergedicht hinausgeht.
Beschäftigt man sich mal eingehend mit der Geschichte dieses Landes, ist es doch gerade interessant, wie Deutschland, das jahrhundertelang von Krisen geschüttelt wurde, sich bis heute gehalten hat und, sind wir mal ehrlich, wir stehen (trotz vieler ungelöster Probleme) nicht allzu schlecht da.
Eins steht allerdings fest: Engstirnigkeit, mangelnde Empathie, Missgunst und Hass haben uns nicht dahin gebracht. Vielleicht sollten wir uns gerade dieser entscheidenden Eigenschaft besinnen und unser Talent für Toleranz und Nächstenliebe neu entdecken. Und den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.