Warum stehen sich der HSV und FC St.Pauli wie zwei Antagonisten gegenüber? Warum scheinen die Fronten unvereinbar zu sein? In diesem Kommentar wird die Feindschaft beider Vereine näher beleuchtet.
Zwei Vereine, eine Stadt und eine Feindschaft, die keinen Sinn ergibt
Wird man nach den Vereinen HSV und St. Pauli gefragt, ist es meist eine Entscheidungsfrage à la „entweder oder“. Eine Sympathie für beide gilt als nicht vorhandener Mythos und wird höchstens als Scherzantwort betrachtet, was zur Folge hat, dass die Frage mit größerer Ernsthaftigkeit wiederholt wird. Doch woran liegt das? Warum stehen zwei Vereine, die höchstens per Losverfahren im DFB-Pokal einmal im Jahr gegeneinander spielen, in Zwietracht?
Das Tor zur Politik
„St.Pauli ist links“, „HSV ist rechts“. Parolen wie diese lassen die sportliche Feindschaft zu einer politischen werden. Unter dem Motto „Verallgemeinern für Anfänger“ wird das Fußballstadion zum Bundestag. Jedem Verein und damit tausenden von Leuten wird eine politische Meinung mit einem Fußballwappen ausgestellt und somit outet sich jeder HSV-Rauten-Träger als Nazi und jedes mit Piratenflaggen spielende Kind als Karl-Marx-Schüler.
1:1 für Hamburg
Und wo die Politik versagt, machen die Vereinsfarben weiter. Sollte nämlich doch ein HSV Fan widererwarten links sein oder ein St.Pauli Anhänger rechts, so bleiben immer noch die Vereinsfarben, die eine klare Trennung beider Vereine vermitteln. Dass die Farbe Weiß sich überschneidet, ist dabei nicht weiter erwähnenswert.
Viel wichtiger und widersprüchlicher wird die Feindschaft unter dem Gesichtspunkt des Spielbetriebs. Denn de facto spielen beide kein einziges Mal gegeneinander. Nur per Zufall im DFB-Pokal. Die Fans beider Lager müssen sich daher mit Straßenschlachten zufrieden geben. Gemeinsam sowohl in Liga eins als auch in Liga zwei zu jubeln scheint zu einfach und anspruchslos. Dass beide Vereine nämlich für die Stadt Hamburg spielen und kämpfen, ist genauso nebensächlich, wie die Bereicherung durch zwei Vereine, die Hamburg zu der Sportstadt macht, die sie ist.
Hauptsache Derby! Hass und Feindschaft gehört dazu, wie die Stadionwurst zum Becherbier. Freundschaftsspiel kann jeder! Wenn man am Samstag in der Kurve steht und den Stress der Arbeitswoche loswerden möchte, schreit man auch gerne mal im Spiel HSV gegen VfB Stuttgart „Scheiß St.Pauli“. Feindbilder braucht jeder und mit genügend Alkohol im Blut und dem Gemeinschaftsgefühl, macht das Beleidigen gleich viel mehr Spaß.
Hauptsache Hass
Gegenseitiges Beleidigen, gegenseitiges Verprügeln: so viel Aufmerksamkeit schenkt man nur jemandem, der einem wichtig ist. Insofern scheinen beide nicht so weit voneinander entfernt und suchen selbst in Zeiten des Verzichts die Nähe zum anderen. Der Kontakt hält von Liga eins bis Liga zwei, wie jedes Wochenende blutende Nasen auf dem Kiez oder Schlachtrufe aus den Stadien beweisen. Ein Umdenken findet nicht statt und so ist es müßig, das Dasein der Hooligans revolutionieren zu wollen. Der Außenstehende muss einsehen, dass Wörter wie „Scheiß Hurensöhne“ und „Auf die Fresse, auf die Fresse“ mit 1,8 Promille und dem Fußballplatz vor Augen einfach dazu gehören. Nach dem Spiel und der sich anschließenden aufwendig geplanten und strukturierten Schlägerei gibt man sich dann im Krankenhaus wie faire Sportsmänner wieder die Hand.
Hauptsache Hamburg – Die Mauer muss weg
Ein Ausblick auf ein Fußball-Hamburg, das Fanfreundschaft hegt und aus zwei Lagern eine Festung macht, wird ein Ausblick in eine unrealistische Zukunft bleiben, denn es wird immer Erschaffer künstlicher Feindbilder geben. Und wenn das öde Spießbürgerleben schon keine Highlights und Erlebnisse bieten kann, dann wenigstens die dritte Halbzeit im Fußball.