Drei Boas im Keller, Karpfen im Teich und Hühner im Garten. Exotische und einheimische Tiere hält Michael Millert schon seit seiner Kindheit. Warum er trotz Herausforderungen seiner Leidenschaft treu bleibt.
Feuchtwarme Luft kommt Michael entgegen, als er sein Terrarien-Zimmer im Untergeschoss betritt. Hinter einer Glasscheibe züngelt eine Boa. Ein paar Wasserschildkröten tauchen abrupt ab. Der 60-Jährige greift in einer Plastikbox voller Insekten nach einer Schabe und füttert damit seinen handgroßen, afrikanischen Grabfrosch Karl-Heinz, der in der Duschwanne im Badezimmer nebenan lebt.
Von der Straße aus wirkt die Doppelhaushälfte, in der der Hamburger mit seiner Frau wohnt, völlig unscheinbar. Nur wer den Hintergarten betritt, erkennt anhand des Karpfenteichs, Hühnerstalls und einiger Außenterrarien rasch, dass Michael ein Tierliebhaber ist.
Von A wie Ameise bis Z wie Zauneidechse
Angefangen habe seine Leidenschaft für Tiere bereits als Kleinkind, sagt der Frührentner. Seinen Eltern zufolge habe er damals Ameisen über seine Hände krabbeln lassen. „Mit sieben Jahren hatte ich jedes Frühjahr in einem Käfig ein Zauneidechsenpärchen auf dem Balkon“, fährt er fort. Das habe er vor dem Sommerurlaub immer an der einstigen Fundstelle ausgesetzt, um es in den folgenden acht Jahren von dort wieder zu sich zu holen.
In seiner Jugend hielt Michael zwei grüne Leguane; als Student züchtete er Zebrafinken und Spitzschwanzamadine. Obwohl seine Eltern anfangs versuchten, sein außergewöhnliches Hobby in Bahnen zu lenken, erfüllte er sich vor 30 Jahren schließlich seinen lang gehegten Traum: ein Eigenheim mit Terrarien-Keller. Nun besitzt er 15 Terrarien, rund 150 Tiere und ist Vorsitzender der Terrarien-Freunde-Hamburg e.V. „Die Tiere geben mir einen Sinn im Leben“, sagt er.
Beobachten, Verstehen und Lernen
Jeden Tag kümmert sich der ehemalige Volkswirt rund drei Stunden um seine Tiere. Einen Teil des Insektenfutters für die Reptilien und Amphibien kauft er im Zoogeschäft; den Rest züchtet er – wie die Futterratten für seine Schlangen – selbst. Unter einem Stein holt Michael einen kleinen Feuersalamander aus einem Terrarium hervor. Um zu sehen, wie er sich entwickelt, nimmt er ihn auf die Hand und begutachtet ihn sorgfältig. Jedes neugeschlüpfte Tier listet er mit einer Nummer für die Behörden in seinem Zuchtbuch auf.
Das nötige Fachwissen zur Tierhaltung und -züchtung hat er sich aus Büchern, Internet-Beiträgen und Gesprächen mit Mitgliedern seines Vereins angeeignet. „Man lernt jeden Tag in der Terraristik dazu“, erklärt er. Trotzdem müssten sich alle Terrarianer*innen „immer eine eigene Meinung bilden, was für unsere Tiere am besten ist.“
Stromrechnung: 620 Euro im Monat
Zwar operiert Michael kranke Tiere zum Teil selbst und stattet Terrarien auch mit Moos aus dem eigenen Garten aus, dennoch bleibt die Reptilien- und Amphibienhaltung ein teures Hobby. Allein ein Terrarium kostet oft mehrere hundert Euro. Hinzu kommen die Ausgaben für die Wärmebeleuchtung der wechselwarmen Tropentiere. „Früher hatte ich eine Stromrechnung von rund 620 Euro im Monat“, erinnert sich der Rentner. Denn vor rund 15 Jahren sei die Nachfrage an exotischen Tieren stark angestiegen. Deswegen besaß er, unter anderem zur Aufzucht von Bartagamen und Kornnattern, zehnmal so viele Terrarien wie heute.
Obwohl die Anzahl an Terrarien in deutschen Haushalten laut dem Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschland e.V. in den letzten fünf Jahren kontinuierlich auf 1,3 Mio. gestiegen ist, nimmt der Bedarf an exotischen Tieren laut Michael ab. Daher hat er ihre Züchtung eingestellt. Seine monatlichen Stromkosten sind auf rund 260 Euro gesunken.
Von Exoten zu Nutztieren
Mit seinen Reptilien und Amphibien besucht Michael gelegentlich Schulen, Kitas und Natur-Ausstellungen, um über die Tiere aufzuklären und die Angst vor ihnen zu nehmen. Neue Exoten möchte er sich nicht mehr anschaffen. Dafür hat er mit Eintritt in seinen frühzeitigen Ruhestand Anfang des vergangenen Jahres mit der Hühnerhaltung begonnen.
Stolz erzählt er im Garten vor dem selbstgebauten Hühnerstall, wie er aus Bioeiern ersten Küken ausgebrütet hat, während seine Hennen gackernd nach Brotkrümeln picken. „Ich möchte Eier essen, die von Hühnern stammen, die vernünftig gehalten und ernährt werden“, erklärt er. Diese artgerechte Haltung möchte er auch seinen Schlangen, Schildkröten, Echsen, Lurchen und Fröschen bieten. Dem gerecht zu werden, hält den Rentner ganz schön auf Trab.