Die Energiewende ist bekannt für ihre technischen Innovationen. Was wir dabei oft vergessen, ist, dass wir den Klimawandel durch Innovationen oft noch verstärken, als ihn zu stoppen. Der folgende Beitrag soll zum Nachdenken über die Ursprünge der Rohstoffe und der Verwobenheit der Energiewende in das Gesamtsystem einer rassistischen Kolonialmoderne anregen. Ein wissenschaftlicher Essay ist als Beleg der Anstöße beigefügt.
Die „grüne” Energiewende
Fast jede Regierung auf der Welt hat mittlerweile einen Klimaplan verabschiedet. Das Pariser Abkommen stellt die erste globale rechtliche Klimaschutzvereinbarung dar, dem 190 Vertragsparteien zugestimmt haben. Dabei sind es vor allem die Industriestaaten, die für eine Emissionsminderung verantwortlich gesehen werden: Offshore- und Onshoreparks werden gebaut, Solaranlagen auf Dächern platziert, die Elektromobilität vorangebracht und Großprojekte wie NEW 4.0 (Norddeutsche Energiewende) ins Leben gerufen. Doch das wesentliche Problem der Energiewende und einer grünen Politik der Länder des Globalen Nordens: Sie gestaltet sich durch neokolonialen Landraub und Enteignung von vor allem Schwarzen Menschen und People of Colour im Globalen Süden und im Globalen Norden selbst. Wesentlicher Auslöser: Der Kapitalismus.
Kapitalismus, Kolonialismus und Klimawandel
Eine Betrachtung der „grünen Energiewende“ unter Einbezug dieser Gesichtspunkte deutet auf einen Mythos hin und sollte schnellstmöglich aufgebrochen werden. So sieht auch die Politikwissenschaftlerin Vergès den Kapitalismus als wesentlichen Grund für den Klimawandel: Der Kapitalismus sei die treibende Kraft hinter dem Kolonialismus und dieser wiederum die Voraussetzung der soziokulturellen Ausbeutung außereuropäischer Länder. Die Bildung des europäischen Narratives einer billigen und unendlichen Natur (auch menschliche Körper), die dem weißen Menschen vorbehalten ist, legitimiert dieses rassistische Vorgehen.
Als Beispiel für die das ineinander Übergreifen der Ideologie Rassismus, Kapitalismus und weißer Vorherrschaft kann der in Hamburg sitzende Afrika-Verein betrachtet werden. Der Verein wurde am Sitz der Woermann-Reederei gegründet, die ihre Gewinne unter anderem aus Menschenhandel mit BIPoC (Black, Indiegnious, People of Colour) zog und vom deutschen Völkermord an den Herero und Nama in Namibia profitierte. Drei Nachfahren des damaligen Reedereichefs sind heute Gesellschafter des Vereins, der regelmäßig Seminare zur Expansion von Erneuerbaren Energien in afrikanischen Ländern anbietet oder potentielle Investor*innen mit Kontakten versorgt.
Ressourcen und Europa
Neokolonialer Landraub wird vor allem dadurch vorangetrieben, indem die Nachfrage der Wohlstandsansprüche des Globalen Nordens bedient wird. Der Energiesektor ist davon nicht ausgenommen: Eine Windkraftanlage benötigt im Vergleich zu einem fossilen Kraftwerk fünfzehnmal mehr Zement, 90mal mehr Aluminium und das 50-fache an Eisen, Kupfer und Glas auf eine produzierte Megawattstunde gerechnet. Um das 1,5 Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen würde die Rohstoffnachfrage für beispielsweise den Windsektor um das 250fache steigen. Die Rohstoffnachfrage wird unweigerlich steigen und das auch in weiteren technologischen Branchen, wodurch menschenrechtliche und ökologische Probleme in den Abbauländern des Globalen Südens weiter verschärft werden, denn dort befinden sich die meisten seltenen Erden.
Die eine Dimension
Sicherlich produzieren Erneuerbare Energien vor Ort saubere Energie, aber solange die Wertschöpfungskette soziokulturelle und damit unweigerlich klimatische Bedingungen verschärft, als aufzulösen, verweilen wir in einem Mythos:
Die eindimensionale Energiewende des Globalen Nordens ist somit nur durch die Aufrechterhaltung von kolonialen Strukturen und deren Ökonomie der Ausbeutung möglich. Eindimensional in diesem Kontext, als dass sie weiterhin zur Lebensstandardsicherung weißer Menschen dient, indem Erneuerbare Energien die konventionellen Kraftwerke in der Gesamtheit ihrer Energieproduktion ersetzen sollen und globale Machtverhältnisse nicht in Frage gestellt werden.
Solange sich die Energiewende in einem neokapitalistischen Raum abspielt, in dem Profite über Leben stehen, werden die Handlungsmaßnahmen zum Erreichen der 1,5 Grad Grenze des Pariser Abkommens, wie E-Autos oder Offshoreparks, unter keinen Umständen in eine Kategorie der „grünen Energie“ einzuordnen sein. Ein Systemwandel ist somit die einzige Möglichkeit dem Klimawandel zu entkommen.