Audrey und Jeremy leben in Sidney. Sie sind in ihren 30ern und seit vielen Jahren ein Paar. Nun steht eine große Veränderung an, denn die beiden bekommen ein Kind. So weit, so gewöhnlich. Doch ein kleines Detail entspricht nicht der Norm: Die jungen Eltern werden nicht heiraten. Was vor einigen Jahrzehnten noch unzertrennlich zusammengehörte – Familie und Ehe – ist heutzutage anscheinend ein Auslaufmodell. Audrey und Jeremy sind zwar nur die Hauptcharaktere einer australischen Dramedy-Serie namens „The Letdown“ (zu Deutsch: Milcheinschuss), aber auch in der deutschen Realität gibt es Paare, die so denken.
Im Fall der beiden Seriencharaktere ist Audrey diejenige, die hauptverantwortlich dafür ist, dass nicht geheiratet wird. Sie ist keine große Freundin der Kirche und hält das Konzept der Ehe für überholt. Um mit ihrem Lebenspartner ein Kind großzuziehen, benötigt sie nicht Gottes Segen. Jeremy fügt sich dieser Einstellung. Doch im Laufe der Serie überkommt ihn immer wieder das Verlangen, die Mutter seines Kindes zu ehelichen. Sie lehnt ab und er akzeptiert es.
Steuerliche Vorteile einer Ehe
Jetzt mag manch eine*r vielleicht sagen: ‚Das ist ja schön und gut, aber in Deutschland bringt die Ehe steuerliche Vorteile. Da wäre es schön blöd, nicht zu heiraten.‘ So ist die landläufige Meinung, aber eine kurze Recherche zeigt, dass es nicht so eindeutig ist. Das Ehegattensplitting bringt nämlich nur einen wirklichen finanziellen Vorteil, wenn die beiden Personen unterschiedlich viel verdienen. Wenn also beide ein ähnliches Einkommen haben, lohnt sich das Heiraten aus steuerlichen Gründen nicht.
Es gibt andere Vorteile beispielsweise beim Erbrecht. Aber alles in allem lässt es sich auch gut zusammenleben, ohne den heiligen Bund der Ehe einzugehen. Stirbt die Ehe also nach und nach aus? Und ist vielleicht sogar die Monogamie bald Geschichte?
Die Alternativen zur Monogamie
Um diese Fragen zu beantworten, muss erstmal geklärt werden: Was bedeutet Monogamie? Monogamie ist laut Wikipedia „eine lebenslange exklusive Fortpflanzungsgemeinschaft zwischen zwei Individuen einer Art“. Also genau das, was die Ehe auch zu sein versucht. Ewige Treue, bis dass der Tod uns scheidet. Im Gegensatz dazu stehen die Polygynie (ein Mann hat mehrere Frauen), die Polyandrie (eine Frau hat mehrere Männer) und die Polyamorie. Bei Letzterem führen Personen mehrere Beziehungen gleichzeitig, wobei dies allen Beteiligten bewusst ist.
Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Beziehungsform der Polyamorie, die natürliche des Homo Sapiens sein könnte. Bei der Argumentation wird sich jedoch nur auf Indizien gestützt, da keine stichfesten Beweise aus der vorzivilisatorischen Zeit existieren. In was für Beziehungen die Jäger*Innen und Sammler*Innen der grauen Vorzeit tatsächlich lebten, kann niemand mit Gewissheit sagen. Sicher ist nur: Seitdem die Menschen in Zivilisationen zusammenleben, hat sich vor allem in der christlichen Welt die Monogamie durchgesetzt.
Warum leben wir monogam?
Die Wissenschaft vermutet dafür vorrangig zwei Gründe: Erstens könnten durch eine monogame Lebensweise Infektionskrankheiten eingedämmt worden sein. Zweitens ist die Monogamie so etwas wie ein frühzeitlicher Vaterschaftstest. Wenn meine Frau mit keinem anderen Mann Geschlechtsverkehr hat, dann sind ihre Kinder ziemlich sicher von mir. Und diesen Kindern kann ich dann ohne schlechtes Gewissen mein Land vermachen. Die Zivilisation beförderte also monogame Lebensformen. Und die moderne Gesellschaft wendet sich jetzt wieder von diesen ab?
Die Statistiken sprechen eine andere Sprache. Zwar heiraten heutzutage wesentlich weniger Menschen in Deutschland als noch im Jahr 1950 (damals knapp 750.000). Aber es werden immer noch mehr als 400.000 Ehen pro Jahr geschlossen – Tendenz gleichbleibend. Und auch die Anzahl der Scheidungen nimmt nicht weiter zu. Sie ist zwar mit ungefähr 150.000 pro Jahr unverändert hoch, aber deutlich unter dem Allzeithöchstwert von über 210.000 im Jahr 2003.
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista
Im Durchschnitt halten die Ehen auch zwei Jahre länger als noch zu Beginn des Jahrtausends. Anscheinend überlegen es sich die Deutschen heute sehr genau, bevor sie heiraten. Denn sie heiraten deutlich später als früher, Frauen mit 32 und Männer mit 34 Jahren. Und das alles passiert, obwohl die Anzahl der Kirchenmitglieder weiter stetig abnimmt. Für deutsche Paare hat eine Hochzeit offensichtlich wenig mit Religion zu tun.
Die Zukunft der Monogamie
Doch gleichzeitig zeigen diese Statistiken, dass die Monogamie nicht vollumfänglich gelebt wird. Wenn mehr als ein Drittel der Ehen nach 15 Jahren wieder auseinandergehen, kann nicht die Rede von einer „lebenslangen exklusiven Fortpflanzungsgemeinschaft“ sein. Und auch die Eheleute, die sich nicht scheiden lassen, sind vermutlich vorher in anderen Beziehungen gewesen. Die in Deutschland vorherrschende Beziehungsform ist also eher eine Monogamie auf Zeit.
Ob diese zeitlich begrenzte monogame Beziehung in einer Ehe stattfindet oder wie bei Audrey und Jeremy, ohne sich das Ja-Wort zu geben, entscheidet jedes Paar für sich. Das Auslaufmodell Ehe erfreut sich jedenfalls nach wie vor einiger Beliebtheit. Und eines ist deutlich: Ein Ende der Monogamie ist aktuell nicht abzusehen.
Statistik-Quellen: Statistisches Bundesamt, Statista