Bühnenbau, Spiel, Tanz und Musik – Die Musicals des WHG werden von vorne bis hinten selbst entwickelt.
Es sind Winterferien in Schleswig-Holstein. Das neue Jahr hat gerade begonnen – noch können sich die SchülerInnen ausruhen und die freien Tage genießen.
Doch im Werner-Heisenberg-Gymnasium (WHG) in Heide herrscht reges Treiben. Die Aula der Schule gleicht einer Holzwerkstatt. Überall rennen Kinder und Jugendliche herum. An allen Ecken wird gesägt, gebastelt, dekoriert und zusammengebaut. Eine Bühne entsteht. Denn die circa 100 Teilnehmenden einer ganz besonderen Arbeitsgemeinschaft möchten hier ein Musical aufführen.
Seit 25 Jahren läuft das Projekt fast ohne Lehrkräfte
Die AG „Unterstufen-Musical“ gibt es bereits seit 1995. Die Idee war, neben dem Unterricht „Darstellendes Spiel“ für SchülerInnen anzubieten und mit der Präsentationsform Musical von vorne bis hinten selbst organisierte und inszenierte Stücke zu aufzuführen. Lehrkräfte stehen hierbei nur am Rand und greifen selten aktiv ein.
Einen Einfluss auf die Note oder den Unterricht hat die Teilnahme am Projekt nicht. Etwa 35 ältere SchülerInnen übernehmen die Regie, die Band, das Nähen der Kostüme und die Technik des Musicals. Sie wählen ein Stück aus, welches im Laufe des Jahres zu einem Musical wird.
Ein Text-Team schreibt Szenen und Lieder, von denen Ausschnitte bei einer großen Vollversammlung präsentiert werden. Nun fängt die Suche nach SchauspielerInnen und SolistInnen an. In kleinen Schauspielschulen und Tanzproben geben die erfahreneren GymnasiastInnen, die das Regieteam bilden, ihr Wissen an die Nächsten weiter, sodass auch in den kommenden Jahren weiterhin Musicals aufgeführt werden können. Alle Proben werden ebenfalls komplett eigenständig organisiert, geplant, durchgeführt und nachbereitet, sodass auch Projektmanagement zu den gesammelten Erfahrungen gehört.
Die Koordination des Bühnenbaus liegt ebenfalls in der Hand einer Gruppe von Regie-Teamenden. Hierzu gehört die Materialkoordination, Gespräche mit Sachverständigen und Lehrkräften. Nach Bekanntgabe des Stückes beginnt die Konzeption, die in der Bauphase im Januar endete.
Von Kindern, Piraten und Feen handelte das diesjährige Musical
Ausgewählt wurde in diesem Jahr die Vorgeschichte zu Peter Pan als Rahmenhandlung.
Vom jungen Peter im Waisenhaus, der an Piraten verkauft wird und in Minen schuften muss, um dem bösen Blackbeard Feenstaub zu beschaffen, handelt „Vola Mecum – Kurs auf Nimmerland“. Es kommt zu Streitereien unter den Kindern, weshalb Peter in den Fokus von Blackbeards Aufmerksamkeit gerät. Durch die daraus folgende Bedrängnis durch die Piraten fliegt Peter plötzlich hoch in die Luft und schnell wird klar: Er ist der prophezeite Retter. Er flieht zu dem Volk der Amazonen, die ihm helfen an sich selbst zu glauben. Gemeinsam stellen sie sich Blackbeard und befreien Nimmerland.
Die Kinder beleben die Bühne und das Stück
Im Mai kommt es dann zum großen Abschluss. Insgesamt sieben Aufführungen finden in der Schule in Heide statt. Damit möglichst viele SchülerInnen an dem Projekt teilnehmen können, sind alle Hauptrollen und die meisten Nebenrollen doppelt oder dreifach besetzt worden. Seit dem Bühnenbau im Januar ist einiges passiert:
Die Kulisse steht und alle sind bereit für ihren großen Auftritt. Das Spektakel ist perfekt. Die SchauspielerInnen gehen auf in ihren Rollen, die Lieder, seien sie vom Chor oder von den SolistInnen gesungen, sind sehr gut gewählt. Die Choreografien, die im Januar noch entwickelt wurden, finden ihre Vollendung in der Kombination mit den anderen Elementen des Musicals. Die Solo-Tänzerinnen leben sichtlich für die Bühne und spätestens, als Peter an einem Drahtseil über das Publikum fliegt, steht fest: Hier wurde sehr viel Arbeit, Zeit und Herzblut hineingesteckt und es hat sich mehr als ausgezahlt.
Die Liebe zum Detail und die Begeisterung der SchülerInnen lässt sich an so vielen Dingen erkennen: Seien es das perfekte Bühnenbild oder die toll gestalteten Kostüme und Masken, aber auch das ganze Drumherum – die selbst gemachten Cocktails, die in der Pause verkauft wurden oder die strahlenden Gesichter überall.
Die Einnahmen durch die Eintrittskarten und die Spenden werden nur zur Hälfte in die Musical-Arbeit gesteckt. Die andere Hälfte spendet das Projekt-Team dem Great Ormond Street Hospital in London welches seit dem 19. Jahrhundert einen großen Beitrag zur Verbesserung der medizinischen Gesundheitsversorgung Londons leistet und welchem Sir James Matthew Barrie 1929 die Rechte an seinem Originalwerk Peter Pan vermachte. Eine weitere tolle Geste des Projekts.
Platz für Neues wird geschaffen
Nach dem Auftritt heißt es Abschied nehmen. Die diesjährigen AbiturientInnen verlassen das Regie-Team. Dafür kommen neue SchülerInnen ab der 9. Klasse hinzu, damit auch nächstes Jahr wieder ein Musical aufgeführt werden kann.
Man darf also gespannt sein, welche Geschichte dann erzählt wird, aber feststeht: Es wird sicher ebenso genial und mitreißend!