Deutschland ist in Aufruhr. Stimmen werden laut und sprechen sich dafür aus, dass die Demokratie verraten wurde. Es würden schmutzige Deals auf Kosten dieses Systems ausgehandelt werden, Rechtsextremismus nehme zu, das Land spalte sich.
Nicht nur anlässlich der kommenden Bürger*innenschaftswahl in Hamburg, sondern auch aufgrund der Wahl in Thüringen habe ich mich mit dem Begriff DEMOKRATIE auseinandergesetzt. Er wird gerne selbstverständlich benutzt, ohne, dass daran gedacht wird, dass sich hinter diesem Begriff gar ein Fass ohne Boden befindet. Aus diesem Grund wird es eine kleine Serie zur Demokratie geben. Warum? Weil Demokratie kompliziert ist, aber nicht unmöglich zu verstehen. Und wir werden merken: damit können wir uns gar nicht genug auseinandersetzen.
Also, worüber sprechen wir jetzt?
Damit wir wissen, worüber wir sprechen, sollten wir zunächst klären, was eine Demokratie überhaupt ist und vor allem, was sie ausmacht.
Demokratie ist zunächst eine Regierungsform. Diese Form organisiert das Leben der Menschen in einem bestimmten Land. Also zum Beispiel in Deutschland. Wichtig ist, dass die Macht in dieser Regierungsform von der Bevölkerung ausgeht und dieses ein Recht auf Widerstand gegen die Staatsgewalt hat (Artikel 20 Absatz 4 GG). Menschen jeglichen Geschlechts und (sozialer) Herkunft haben die Möglichkeit diese Macht in Form von Wahlen auszuüben.
Dabei gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Partizipation der Bürger*innen. Die sogenannte direkte Demokratie ermöglicht es der Bevölkerung – wie der Name schon sagt – direkt an politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Dies bedeutet, dass Entscheidungen nicht durch vorher gewählte Politiker*innen getroffen werden. Auf der kommunalen Ebene ist das eine gute Möglichkeit, die Menschen direkt über ihre unmittelbare Umgebung entscheiden zu lassen.
Auf der Bundesebene ist es aufgrund der Größe der Bevölkerungszahl schlichtweg technisch unmöglich. Außerdem müssten somit alle Menschen Politiker*innen werden und sich mit allen Politikbereichen auskennen. Daher das Konzept der indirekten Demokratie. Wir wählen Vertreter*innen, von denen wir ausgehen, dass diese unsere Interessen am besten repräsentieren und Entscheidungen darüber treffen können.
Das nennt mensch eine repräsentative Demokratie. Natürlich kommt es vor, dass Politiker*innen nicht immer ihre Versprechen halten, weil es den Lobbyismus, die Wirtschaft, das Christentum und noch unzählige andere Meinungen und Interessen gibt. Und das ist eine wesentliche Bedingung von Demokratie: Die Meinungsfreiheit und das Fehlen von Einstimmigkeit. Demokratie lebt nämlich nicht von einem Volkswillen, sondern von Kompromissen. Jeder Person ist es möglich, sich ohne Angst vor dem Staat eine Meinung bilden zu können, sich zu informieren und zu entscheiden. Dabei sichert die Rechtsstaatlichkeit, dass es feste Grundsätze gibt, die für alle gleich gelten. Zumindest im theoretischen Idealfall.
Wichtig dabei ist der Minderheitenschutz. In Deutschland ist dies durch das Rederecht für die Opposition im Bundestag gesichert. Es kann auch durchaus vorkommen, dass sich Minderheiten gegenüber der Mehrheit durchsetzen. Aus dem einfachen Grund, dass kleinere Gruppen meistens besser organisiert sind. Umso größer sie wird, desto schwieriger werden Absprachen und ein Konsens.
Bevor sich ein Mensch allerdings mit Politik auseinandersetzen kann, müssen gewisse Grundbedürfnisse befriedigt werden. Dabei soll der Sozialstaat helfen, der eine weitere Bedingung für Demokratie ist. Dem Sozialstaat liegt die Diskussion zugrunde, was soziale Gerechtigkeit ist. Was macht diese aus und wer definiert sie? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander.
In Deutschland leben wir in einem sogenannten konservativen Sozialstaat. Dieser ergibt sich durch den Fokus auf Versicherungen, in die die Menschen während der Erwerbstätigkeit einzahlen: Die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen-, und Unfallversicherung. Dies bedeutet, dass soziale Ansprüche eng mit der Lohnarbeit zusammenhängen. Einfach gesagt: Je mehr ich arbeite bzw. leiste, desto mehr staatliche Unterstützung bekomme ich, wenn ich sie brauche. Durch mehr Leistung mehr sozialen Anspruch zu erlangen, führt allerdings nicht dazu, dass Ungleichheiten aufgehoben werden. Ungleichheiten in diesem Sinne bedeutet, dass jede Person aufgrund des soziokulturellen Umfeldes und der Herkunft unterschiedliche Chancen hat. Solange soziale Absicherung so stark mit dem Leistungsprinzip verbunden ist, wird es immer Menschen geben, die davon benachteiligt sind. Zum Beispiel können Menschen, die mit einer Gebärmutter geboren werden und ein Kind bekommen, eine Zeit lang nicht arbeiten gehen. Denn die Kindererziehung obliegt immer noch hauptsächlich weiblich gelesenen Personen. Und auch wenn es anders herum wäre: Die Ungleichheit bleibt.
Demokratie gerät oft in die Kritik und manche gehen davon aus, dass Deutschland keine Demokratie mehr sei. Oft sprechen diese allerdings von den Bedingungen. Also vom Sozialstaat oder der Rechtsstaatlichkeit. Die Macht geht aber immer noch von der Bevölkerung aus. Sprich, es handelt sich immer noch um dieselbe Regierungsform. Das war nicht immer so. Es gab und gibt Monarchien, Aristokratien (Herrschaft des Adels) und Oligarchien (Herrschaft durch eine kleine Gruppe). Demokratie war nicht immer da und es gibt zahlreiche alternative Regierungsformen. Wie der lange Weg der Demokratie aussah und noch aussehen wird, erfährst du im nächsten Artikel. Bis dahin: raise your voice.
Falls du Fragen zur Demokratie hast, schreibe mir einfach eine E-Mail: h.notka@freihafen.org. Ich versuche sie in der nächsten Ausgabe zu beantworten.
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