Es ist ein früher Sonntagmorgen Ende August. Vor mir erstreckt sich das funkelnd blaue Wasser der Elbe, die schiefgelegenen Segel eines Bootes sind in der Ferne erkennbar, während ich mit Luisa Gohlke durch den Sand stapfe. Ich befinde mich am Set eines Werbespotdrehs, welchen die Jugendpresse Schleswig Holstein und die Junge Presse Hamburg gemeinsam entwickeln. Die Werbung handelt von einem jungen Mann, der durch einen herabfallenden Ast am Strand bewusstlos geschlagen wird. Am nächsten Morgen wacht er verwundet im Sand auf und stellt erstaunt fest, dass in der Einsamkeit eine ausgestattete Bartheke steht. Ein großer Mann mit Vollbart lehnt am Tresen und reicht ihm ein Glas Wasser.
„Im Spot werben wir für eine bekannte deutsche Wassermarke“, erzählt Luisa, die als Set- Aufnahmeleiterin beim Dreh alles im Überblick haben muss, freudig und ergänzt anschließend:„Allerdings haben wir keinen Auftrag. Wir drehen rein aus Spaß.“ Als Set- Aufnahmeleitung sei sie dafür verantwortlich, zu überprüfen, ob der Drehplan zeitlich eingehalten werde, sowie die verschiedenen Departments, wie Licht, Ton, Ausstattung, Maske, Kamera und Schauspieler, auf ihre Ordnung zu überwachen. Eilig beschriftet sie die Klappe, ein Plastikschild an welchem man erkennt, wie oft und mit welcher Einstellung die einzelne Szene bereits gedreht wurde und huscht zu dem Kamerateam herüber. „Kamera, Ton, Klappe 2.2“, ruft sie und hält dabei das Plastikschild mit der Aufschrift in die Linse des virtuellen Aufnahmegeräts. „Bitte“, ertönt es von dem Regisseur Jan Jessen am Rand, der die Kameraaufnahmen zeitgleich durch eine Anzeige verfolgen kann. Das Kamerateam beginnt den, mit dem Gesicht im Sand liegenden, Schauspieler Patrick Knittler zu filmen, wie er sich mit einem erstaunten, leicht benommenen Gesichtsausdruck wackelig vom Boden erhebt und die Gegend mustert. Im Hintergrund schirmen Leinwände ungewollte Sonnenstrahlen ab, ein Scheinwerfer hilft dabei, die richtigen Lichtverhältnisse zu schaffen. Ein weit verbreiteter Irrglaube sei, dass der Schauspieler viel zu tun habe. „Eigentlich warte ich nur viel “, schmunzelt Patrick, sein Gesicht ist eindrucksvoll mit künstlichem Simulierblut geschminkt. Dann muss er wieder gehen, den Kopf erneut in den Sand stecken.
Besondere Herausforderung stellt es dar, Logikfehler zu vermeiden. So muss nicht nur auf den Lichteinfall geachtet werden, es darf sich auch kein ungewolltes Schiff im Hintergrund befinden, manchmal laufen zudem fremde Hunde auf den abgesperrten Strand in Wedel. Vor den Dreharbeiten musste man sich daher über die Fahrzeiten des Schiffsverkehrs informieren, sowie die Drehkulisse säubern.Um derartige Fehler zu vermeiden, arbeitet Elisabeth Schult als Regieassistentin am Set. Sie ist für die inhaltliche Überwachung des Drehplans zuständig und schreibt sich gelungene Szenenelemente auf.
Besonders das Wetter hatte der Filmcrew Sorgen bereitet. Wegen dem am vorherigen Tage herrschenden Starkregen musste das Drehbuch innerhalb von zwei Tagen komplett neu geschrieben und geplanten Statisten abgesagt werden. So war das Unwetter perfekt auf die Szene abgestimmt worden, wobei man sich sicherlich Schöneres hätte vorstellen können, als von zehn Uhr morgens bis zehn Uhr abends in der Kälte zu filmen. Doch für derartig echte Nordlichter konnte ein kleiner Schauer die Motivation nicht trüben.
Viele der Teilnehmer sind auch unter der Woche in medialen Bereichen tätig, wie dem NDR oder SAM Spots And More, und konnten mit ihrem Fachwissen den jüngeren Unterstützenden zur Seite stehen. Zusätzlich bot es ihnen den Vorteil, einen deutlichen Preisnachlass bei der Beschaffung der Filmutensilien zu erhalten. Man wolle einen seriösen, qualitativ hochwertigen Werbefilm entwickeln, wodurch die Benutzung entsprechender Geräte notwendig sei. „Bevor man sich für das Arbeiten in der Filmbranche entscheidet, sollte man bereits einmal bei einem Dreh dabei gewesen sein“, wird mir mitgeteilt. Kreativität, Connection und Erfahrungen seien das A und O für eine erfolgreiche Laufbahn in der äußerst beliebten Nische.
Der Dreh geht weiter. Die Mittagssonne steht grell am Himmel, was auch dem Kamerateam, aufgrund des falschen Lichteinfalls, zu schaffen macht. Der Hauptdarsteller schlendert gemächlich über den Strand, die Kamera fährt auf einer Bühne nebenher. Ganze 45 Minuten hat es gedauert, das einer liegenden Leiter ähnelnde Gerät, aufzubauen. Im Hintergrund ist die hölzerne Bartheke zu erkennen, die erst vor einigen Minuten fleißig mit brauner Farbe angestrichen worden ist.
Auf Nachfrage erhalte ich den Hinweis, dass die einzelnen Szenen nicht chronologisch nacheinander gedreht werden. Man müsse sich schließlich an die gegebenen Umstände anpassen, die nicht immer in der Reihenfolge des eigentlichen Endproduktes vorliegen. Am Tag zuvor hatte man sogar den Ton unabhängig von den eigentlichen Filmszenen aufnehmen müssen, indem das Mikrofon zwei Minuten in den angrenzenden, stillen Wald gehalten wurde.
„Wir haben ungefähr Ende Juni mit dem Planen dieses Projektes begonnen“ erzählt mir Philipp Nuhn, der als Aufnahmeleitung im Vorfeld alles organisiert hat, und greift dabei in die Gummibärchenschale. Neben den eigentlichen Arbeiten wurde auch die Verpflegung des Teams sorgfältig bedacht. So berichtet Philipp stolz, dass es sich um ein „Green- Set“ handele, da auf umweltbewusste Beköstigungsmittel geachtet werde. So seien die Wegwerfteller aus Mais hergestellt und die noch leicht grünlichen Bananen aus biologischem Anbau. Sogar das Plastikband, welches die Drehfläche großräumig für ungebetene Passanten absperrt, sei trotz bereits mehrfacher Benutzung wiederverwendet worden.
Zu Mittag gibt es als Stärkung köstliche Kartoffelsuppe, bevor die letzten Szenen gedreht werden. „Wir arbeiten heute noch bis in die Abendstunden hinein“ erzählt Luisa. „Allerdings stellen die zwei Drehtage den geringeren Teil der Arbeit dar. Die Szenen müssen noch geschnitten werden, um den fertigen Werbespot zu erhalten.“ Doch bei derartigem Elan scheint der Crew die viele Arbeit nichts auszumachen, schließlich sei man zum Spaß dabei und nicht um einen Profit zu erzielen. Und Freude bereiten die Dreharbeiten ausgesprochen viel. Für den fertigen Film muss man sich jedoch noch ein wenig gedulden. Dieser wird frühestens Ende des Jahres fertig gestellt worden sein.