Thalia Lessingtage – Plädoyers für eine offene Gesellschaft

Joachim Lux, Dunja Hayali, Michel Abdollahi | Foto: Fabian Hammerl/Thalia Theater

“Lessings vernunftbegabter Optimismus fehlt uns in diesen Tagen”, so eröffnete der Intendant des Thalia Theaters Joachim Lux die Lessingtage 2019. Das Theater-Festival mit zwei Wochen Programm dreht sich dieses Jahr um eine offene Gesellschaft, eines der Kernthemen mit dem sich der Dichter und Philosoph Gotthold Ephraim Lessing in seinem Leben beschäftigt hat. Er sei ein radikaler Kämpfer für eine offene Gesellschaft gewesen, habe dabei stets an die Vernunft im Menschen geglaubt und sei für Intellektuelle eingetreten, so Lux. “Wir brauchen eine neue Rationalität. Wie wollen wir uns sonst von denen befreien, die mit Angst arbeiten?”, forderte er.

Auch der Hamburger Kultursenator Carsten Brosda (SPD) sprach von einem kritischen Rationalismus: “Wir können nicht feststellen, dass etwas stimmt, sondern nur feststellen, dass etwas nicht stimmt.” Wir würden in einer transnationalen Kultur leben, die multiperspektivisch gebrochen sei. Umso wichtiger stufte er die Bedeutung des Journalismus für eine offene Gesellschaft ein: “Wer von einer offenen Gesellschaft spricht, der muss auch dafür sorgen, dass Öffentlichkeit gelingt. Dafür sind Journalisten unverzichtbar.”

Wortwahl ist im Journalismus wichtig

Journalist Michel Abdollahi | Foto: Fabian Hammerl / Thalia Theater

Aus diesem Grund durften die Journalisten Dunja Hayali und Michel Abdollahi das zehnjährige Jubiläum der Lessingtage mit ihren Plädoyers für eine offene Gesellschaft eröffnen. Der Journalist Abdollahi machte deutlich, wie wichtig die Rolle der Medien in unserer Gesellschaft sei, da diese auf Tatsachen, Fakten und Missstände hinweisen würden. Er führte das Beispiel der angeblichen Wichtigkeit der Herkunft eines Täters bei einem Gewaltverbrechen auf: “Die Sippenhaft gilt nur für Migranten. Deutsche sind immer Einzeltäter. Wenn ein Ausländer mit einem LKW in Deutsche fährt (Anm.d.Red.: Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz 2016), dann ist das Terror. Aber wenn ein Deutscher in eine Gruppe von Ausländern fährt (Anm.d.Red.: Anschlag in Bottrop Silvesternacht 2018/19), dann ist es Kriminalität, psychische Krankheit. Was ist denn der Unterschied zu Berlin?”

Auch für die ZDF-Moderatorin Hayali ist Wortwahl ein wichtiger Aspekt der Berichterstattung. Als Journalistin, sagt sie, sei es ihre Pflicht darauf hinzuweisen, dass die AfD Vokabular benutzt, welches nicht angemessen sei. Sie sagte dazu: “Vergleiche mit unserer schwarzen Geschichte sind gefährlich. Es verharmlost das Geschehene und dramatisiert das jetzt. […] Was ist denn das Volk? Dieser Begriff nutzt sich ab. […] Das Unsagbare ist nicht wieder sagbar geworden. Es wird wieder gesagt.”

Lieber über wichtige Themen reden

Moderatorin Dunja Hayali | Foto: Fabian Hammerl / Thalia Theater

Die Journalistin Hayali rief dazu auf, nicht gegen Dinge anzukämpfen. Man solle sich lieber für Themen stark machen, zum Beispiel für Pluralität. Auch Poetry Slammer Abdollahi forderte das: “Es geht mir nicht darum die AfD aufzulösen, es gibt viel wichtigere Themen über die zu wenig gesprochen wird: soziale Gerechtigkeit, KiTa-Plätze. […] Wir übertreiben seit 2015 mit der Debatte um Fremdenfeindlichkeit, denn die Migranten sind wirklich nicht Schuld daran, dass der Osten nicht blüht.” Abdollahi schloss seine Rede mit dem Satz: “Ich will nie wieder ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft halten müssen.”

Noch bis zum 03. Februar finden über 50 Veranstaltungen im Rahmen der Thalia Lessingtage statt, darunter Kunstaktionen, Stadtführungen und Gastspiele aus Russland, Nigeria und dem Libanon. Darunter auch die traditionsreiche “Lange Nacht der Weltreligionen” am kommenden Samstag (26. Januar, 19 Uhr). Weitere Informationen zu den Lessingtagen gibt es auf www.thalia-theater.de

Bild mit freundlicher Genehmigung von Fabian Hammerl / Thalia Theater
Alexander Schmitt Verfasst von:

Chefredakteur a.D. FREIHAFEN | Beirat Jugendpresse im Norden | @alexandersmt