Fotografieren. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, macht es jeder. Einer mehr, einer weniger gerne. So stellt sich weniger die Frage, OB man fotografiert, als eher wie und mit welchem Medium. Selbst diese Frage stellen sich die wenigstens. Die zwei Hauptformate gegenüber gestellt, Film und Digital, entscheiden sich die meisten für das Letztere. Es könnte sogar behauptet werden, dass es sich dabei keineswegs um eine Entscheidung handelt. Ganz selbstverständlich wird angenommen, dass digital praktischer ist. Film dagegen, ist praktisch unbrauchbar.
Es ist schon wahr, digital ist die schnellere Alternative und erfordert weitaus weniger Zwischenschritte um zu dem Endergebnis zu kommen. Anvisieren, fokussieren, Auslöseknopf malträtieren und voilá, ein Foto. Das alles in wenigen Sekunden. Was hat die Filmkamera in dieser Zeit vollbracht? Bis zum Auslösen hat sie noch mitgehalten, doch bevor man das fertige Foto in der Hand halten darf, erfordert das etwas mehr Zeit. Es lässt sich sagen, dass der Prozess der Fotoentwicklung auf Papier durchschnittlich eine Woche in Anspruch nimmt. In einer ungeduldigen Gesellschaft wie unserer, scheint es fast masochistisch, sich auf eine derartige Wartezeit einzulassen. Und für jemanden der nur ein paar Urlaubsfotos schießen will, sicherlich die kontraproduktive Alternative.
Doch wer danach strebt seine fotografischen Fähigkeiten zu verbessern, darf den Aspekt der Wartezeit nicht außer Acht lassen. Sie schafft eine Distanz zwischen Foto und Fotograf. Dies hat den Vorteil der Betrachtung mit objektiven Blick. Das Foto scheint isolierter und nicht die digitale Kopie der Umgebung, die sich gerade vor einem befindet. Es fällt leichter zu sehen, was verbesserungsbedürftig ist. Das kritische Auge ist durch diese Distanz weniger beeinträchtigt.
Aber halt! In der Zeit in der man diesen Abschnitt las, hatte die Digitalkamera bereits vierzig neue Bilder gemacht. Und wie viel das gekostet hat? Keinen Cent. Abgesehen davon, dass beim Kauf einer Digitalkamera wesentlich tiefer in den Geldbeutel gegriffen werden muss, ist auf eine längere Sicht die Filmkamera dennoch ganz klar die teurere Variante. Die Digitalkamera kostet einmalig. Für den Film und die Entwicklung der analogen Kamera jedoch, muss die Börse immer wieder geplündert werden. Was dies nun für einen netten Effekt hat? Dadurch überlegt sich der Fotograf zweimal, ob er ein Foto schießt, denn wenn er es schießt, dann muss das Motiv schon etwas Herausragendes sein. Geld regiert die Welt und somit die Wahl deiner Motive. Du knipst also nicht wild drauf los und machst dir im Nachhinein Gedanken, was du da eigentlich gerade getan hast, sondern überlegst, planst, benutzt die Vorstellungskraft um zu erahnen wie das Foto aussehen könnte und erst dann drückst du den Auslöser. Unter Umständen entstehen durch diesen Prozess im Durchschnitt zwar weniger Fotos, dafür aber besser geplante. Ganz klassisch, Qualität über Quantität.
Selbstverständlich kann dieser Prozess auch mit der digitalen Kamera durchgegangen werden, aber erfahrungsgemäß wird dies eher nicht getan. Wieso auch? Soeben wurden vierzig Bilder geschossen, anschließend angeguckt und die Unbrauchbaren aus der Existenz entfernt. Und dies alles hat nicht nur weniger Geld, sondern auch weniger Nerven gekostet. Und wenn man im Nachhinein feststellt, dass keins der vierzig Fotos das Richtige ist, kann die Nachbearbeitung immer noch viele Fehler ausmerzen. Zwar lassen sich auch analoge Fotos einscannen und digital bearbeiten, grundlegend bieten sich dabei aber weniger Optionen.
Ein weiterer praktischer Aspekt der digitalen Kamera ist, dass bei fast allen neuen Modellen die Möglichkeit besteht, Videos zu machen. Hierbei sind ebenfalls nach Belieben Einstellungen veränderbar. Sprich, zwischen Farb- und schwarz-weiß Bildern wechseln und die Lichtempfindlichkeit verändern. Das macht die digitale Kamera zu einem multifunktionellen Paket. Diesen Luxus hat die analoge Kamera nicht. Ein geladener Farbfilm muss zwangsläufig für die nächsten 24 oder 36 Bilder verwendet werden. Da die Lichtempfindlichkeit ebenfalls im Film festgelegt ist, kann auch diese nicht einfach gewechselt werden. Von einem ästhetischen Standpunkt aus betrachtet lässt sich allerdings sagen, dass obwohl die digitale Kamera mehr Variationen bietet, die Filmkamera Bilder in einem exklusiven Stil schießt, der nicht zu hundert Prozent digital simuliert werden kann. So sind die Bilder weicher und organischer. Auch ist die Bildkörnung, die bei Aufnahmen mit hoher Lichtempfindlichkeit auf analogen Bildern entsteht, meist ein angenehmer Effekt, im digitalen allerdings generell als lästig empfunden. Auch ist die Filmkamera deutlich unverzeihlicher bei technischen Patzern. Mehr Verlass auf das eigene Auge wird verlangt, die digitalen Stützräder fehlen. Es entsteht eine technische Unabhängigkeit. Und fällt die Entscheidung, auf digitales fotografieren umzusteigen, so sind die analogen Erfahrungen eine enorme Hilfe.
Am Ende des Tages lässt sich sagen, dass digital eindeutig praktischer ist und mit der sich entwickelnden Technologie, es stetig mehr außer Frage steht, für was sich ein angehender Fotograf entscheiden sollte. Jedoch besitzt die analoge Kamera eine stärkere Persönlichkeit, die Konformität und Respekt verlangt, um gewünschte Ergebnisse zu erzielen. Es ist die Romantik und emotionale Bindung, die unweigerlich in dem langen Prozess der Filmfotografie entsteht. Gemeinsam wird Leid und Freud empfunden. Vom drücken des Auslösers bis zum fertigen Produkt in der Hand, ist es fast wie eine Pflanze, die gesät wird und vor dem eigenen Auge wächst. Und viele Fotografen sind der Meinung, dass diese Bindung sich in den Bildern wiederspiegelt.
Auch ich persönlich sage, dass so lange das digitale Medium das analoge Erlebnis nicht zu hundert Prozent simulieren kann, meine eigene Zukunft sich vorerst auf Film entwickeln wird.